Cornelia Möhring, MdB: Brief an unsere Mitglieder

Liebe Genoss*innen und Freund*innen, hier veröffentlichen wir einen Mitgliederbrief unserer

schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten, Cornelia Möhring. Ein guter Blick auf die (ehemalige) Fraktion und auf das, was wir nun gemeinsam angehen müssen.

Brief an die Mitglieder der LINKE Schleswig-Holstein und Freundinnen und Freunde der LINKE
von Cornelia Möhring MdB

Wie geht’s weiter nach dem Austritt von Wagenknecht?

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde,

seit am vergangenem Montag Sahra Wagenknecht und weitere MdB aus der LINKE ausgetreten sind und auf einer Bundespressekonferenz ihren Verein BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) vorgestellt haben, wird in der Öffentlichkeit viel darüber spekuliert, wie es nun mit der LINKEN Bundestagsfraktion und der Partei DIE LINKE weitergeht.

Ich möchte euch auf diesem Weg über meine Sicht auf die Dinge und Position informieren.

Zuallererst bin ich sehr erleichtert, denn nach mehreren schmerzhaften Jahren hat die zermürbende Selbstdemontage endlich ein Ende gefunden. Seit der noch im Bundestagswahlkampf veröffentlichten Publikation „Die Selbstgerechten“ hat unsere
ehemalige Fraktionsvorsitzende kein gutes Haar an unserer Partei gelassen. Das und die ständigen Angriffe haben auch uns in der Bundestagsfraktion gelähmt und gehindert, mit klaren gemeinsamen Botschaften unsere wichtige Oppositionsarbeit zu machen.

Die Frage, ob das BSW eine ernstzunehmende Konkurrenz für DIE LINKE sein wird, beantworte ich schlicht mit Nein. Es wird aber auch davon abhängen, wie präsent wir künftig in der Öffentlichkeit, auf den Straßen, in unserem direkten Umfeld wahrnehmbar sind. Und das liegt an uns allen. Eine starke LINKE braucht euch, ganz besonders in diesen turbulenten Krisenzeiten. Wenn die Gruppe „Die LINKE im Bundestag“ nun geeint und offensiv durchstartet, brauchen wir unbedingt eure Unterstützung.

Wird es künftig 2 „linke“ Gruppen im Bundestag geben? Nein, das BSW ist nicht links. Es gibt ein paar sozialpolitische Übereinstimmungen, aber im Kern sind sie der FDP näher als uns und Ludwig Erhard näher als Karl Marx. Die Häufigkeit der Begriffe im Gründungsmanifest sind zB. interessant: Arbeiter* 0x, Rentner* 0x, Mieter* 0x, Mittelstand 3x, Industrie 4x, Cancel Culture
1x.

Spenden werden massiv auch von Industrie und Mittelstand eingeworben und die Parteimitglieder sollen handverlesen ausgewählt werden. Solidarität und globale Gerechtigkeit eine Leerstelle. Fassungslos machen mich die Äußerungen zu Migration und
Flucht. Von der Beseitigung „unkontrollierter Migration“ und der „Flucht in Sozialsysteme“ ist die Rede. Und das ist nur ein Bruchteil dessen, was mit linker Politik wenig zu tun hat.

DIE LINKE als sozialistische Partei steht für Alternativen, für eine bessere Zukunft. Wir sind demokratische Sozialistinnen und Sozialisten, demokratische Linke mit unterschiedlichen politischen Biografien, weltanschaulichen und religiösen Einflüssen, Frauen, Männer, LGBTQI, Alte und Junge, Alteingesessene und Eingewanderte, Menschen mit und ohne Behinderungen.
Darum haben wir uns 2007 in einer neuen linken Partei zusammengeschlossen. Weil wir an dem Menschheitstraum festhalten, dass eine bessere Welt möglich ist. Nicht nur für uns in Deutschland, sondern für jeden Menschen weltweit.

Wir wollen die globale Klimakatastrophe verhindern, wir wollen das die universellen Menschenrechte auch für alle Menschen gelten, wir wollen Armut beseitigen und deshalb Reichtum begrenzen. Wir begreifen die Vielfalt individueller Lebensentwürfe und das
Aufbrechen traditioneller Rollen der Geschlechter als eine Chance für Individualitätsentfaltung.

Demokratie, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Internationalismus und Solidarität sind unsere grundlegenden Wertorientierungen und untrennbar mit Frieden, Bewahrung der Natur und Emanzipation verbunden. Und wir wissen, dass es die Arbeit der Vielen ist, die den Reichtum erarbeiten, nicht die Leistung der wenigen Reichen. Solidarität und Gerechtigkeit gelten für uns global und nicht nur national.

Für die GründerInnen des BSW gelten diese Werte nicht mehr. Es ist darum folgerichtig, dass sie keine Mitglieder in unserer LINKEN mehr sind.

DIE LINKE ist und bleibt trotzdem Teil des Deutschen Bundestages. Unsere Abgeordneten und ihre Büros arbeiten weiter.

Es wäre eigentlich ein Gebot der Fairness und des politischen Anstandes, wenn die Mandate zurückgegeben werden, sodass andere LINKE nachrücken und wir als Fraktion weiterarbeiten könnten. Behalten sie ihre Mandate, beginnt ihre Parteiausgründung mit einem
Mandatsdiebstahl. Und wir werden in absehbarer Zeit keine Fraktion mehr sein, sondern eine Gruppe. Mit weniger finanziellen Mitteln und parlamentarischen Rechten.

Jetzt heißt es aber nach vorne schauen. Wir machen weiter: DIE LINKE bleibt weiter die Partei, die an der Seite von Gewerkschaften, Sozialverbänden und Klimabewegung für die Interessen der Vielen eintritt.

Noch aktiver für soziale Politik, für Umverteilung, Steuergerechtigkeit, für bezahlbare Mieten, für eine gute Gesundheitsversorgung, für Selbstbestimmung, gegen Rassismus, für Klimaschutz und eine intakte Umwelt. Für Frieden, für das Völkerrecht, für Solidarität mit
Menschen auf der Flucht. Gegen den Rechtsruck hierzulande und anderswo.

Lasst uns dafür gemeinsam neue Mitstreiter*innen gewinnen. Ladet eure Freund*innen und eure Bekannten ein, sich gemeinsam in der LINKEN zu engagieren. Und alle, die aus Frust ausgetreten sind: kommt zurück. Jetzt erst recht!


Mit solidarischen Grüßen
Conni

PS: ein paar interessante Links zum Thema:

https://wdrmedien-a.akamaihd.net/medp/podcast/weltweit/fsk0/301/3013989/wdr3resonanzen_2023-10- 24_sahrawagenknechtneuerlinkerpopulismus_wdr3.mp3

https://www.fr.de/politik/sahra-wagenknecht-partei-buendnis-linke-spaltung-jan-korte-die-krise-zur-chance- machen-interview-92639133.html

https://telepolis.de/-9343322