Parteiinterne Struktur

Kontakt zur Vertrauensgruppe oder externe Hilfestellen

Sollten euch Fälle bekannt werden, könnt ihr diese parteiinterne Struktur nutzen, um einen Erstkontakt für Hilfe herzustellen.
Die Vertrauensgruppe ist über die Emailadresse
vertrauensgruppe@die-linke.de zu erreichen.

Allerdings gibt es auch viele professionelle und parteiunabhängige Stellen, an die sich Betroffene wenden können.

  • Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen (auch FLINTA*) 08000 116 016
  • Hilfetelefon Sexueller Missbrauch 0800 22 55 530
  • Hilfetelefon Gewalt an Männern 0800 123 99 00
  • WEISSER RING Telefonische Beratung 116 006
  • Gewaltfreileben Beratungsstelle für Frauen*, Lesben, Trans* und queere Menschen 069 43 00 5233

Wir sind eine emanzipatorische Partei und wollen uns zusammen mit Euch den Problemen in der Gesellschaft, wozu auch Sexismus und Patriachat gehört, stellen und zusammen für eine bessere Welt einstehen. Dies geht nur, wenn wir Probleme erkennen und handeln. Zusammen und solidarisch.

Inhaltsverzeichnis (von unten nach oben)

wird laufend aktualisiert

07: Beschluss des Parteivorstandes vom 20.04.2022
06: Artikel "MeToo"-Krise in DIE LINKE (junge Welt, 19.04.2022)
05: Artikel "DIE LINKE in Erklärungsnot" (Neues Deutschland, 19.04.2022)
04: Stellungnahme des Bundesarbeitskreis Revolutionäre LINKE
03: Stellungnahme des Parteivorstandes zum SPIEGEL-Artikel
02: Janine Wissler: Stellungnahme zur Berichterstattung des SPIEGEL
01: LINKSJUGEND SOLID: Aktion für eine feministische LINKE

 

07: Beschluss des Parteivorstandes vom 20. April 2022

Solidarität mit Betroffenen und konsequentes Handeln gegen Sexismus, Grenzüberschreitungen und sexualisierte Gewalt

DIE LINKE knüpft an linksdemokratische Positionen und Traditionen aus der sozialistischen, sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiterbewegung sowie aus feministischen und anderen emanzipatorischen Bewegungen an. Wir beziehen uns auf politische Theorien der Frauenbewegung und des Feminismus, die die Kritik an allen Herrschaftsverhältnissen, die Frauen unterdrücken und benachteiligen, in den Mittelpunkt stellen und weltweit die Durchsetzung der Menschenrechte für die Frauen und die Abschaffung jedweder Diskriminierung aufgrund des Geschlechts fordern. (Erfurter Programm)

Wir bedauern die sexuellen Übergriffe in unserer Partei zutiefst und entschuldigen uns bei den Opfern. Es tut uns leid, dass wir nicht früher darauf reagiert haben. Wir stehen an der Seite der Opfer und werden transparente und vorbehaltlose Aufklärung organisieren und vorantreiben.

Sexismus in der Gesellschaft ist tief verankert. Auch wir als Partei sind nicht vor Sexismus, Gewalt, Beleidigungen und anderen Taten gefeit; ein Problem, das auch im Bewusstsein einiger unserer Genossinnen und Genossen und in Strukturen unserer Partei feststeckt. Wir wollen und müssen diese Haltungen und Strukturen verändern. Sexismus und sexistischen Alltagspraxen treten wir konsequent entgegen. Unsere Partei muss ein Raum sein, in dem sich Genossinnen und Genossen auf Basis von Vertrauen und gegenseitigem Respekt gegenübertreten können, ohne Angst, sexistisch behandelt, beleidigt oder gar mit Gewalt bedroht zu werden. Wir wollen, dass sich alle bei uns engagieren können. Uns ist hierbei bewusst,

  • dass eine solche Atmosphäre der ständigen Reflexion bedarf;
  • dass es klarer und transparenter Regelungen bedarf, die sicherstellen, dass Menschen in unserer Partei als Gleiche und Freie, auch in sexueller Hinsicht, behandelt werden;,
  • dass sich sowohl die Mitgliedschaft als auch Ansprüche an einen emanzipatorischen Umgang miteinander stetig wandeln.

Deshalb setzen wir uns stets für einen antisexistischen Umgang ein. Hierfür haben wir in der Partei eine ganze Reihe von Praxen und Vorgehensweisen bereits geschaffen, etwa Quotierungen, Frauenplena, Ansprechpartnerin in der Bundesgeschäftsstelle, Gleichstellungsberichte, auch politische Arbeitsschwerpunkte sowie in der politischen Bildung. Als Partei stellen wir anhand der aktuellen Veröffentlichungen aber auch fest, dass wir unsere innerparteilichen Strukturen zur Aufarbeitung von Fällen von Sexismus dringend verbessern und die antisexistische Arbeit erweitern müssen.

Der Parteivorstand hat im Oktober 2021 eine Vertrauensgruppe aus seiner Mitte eingerichtet. Die Vertrauensgruppe hat sich der Realität gestellt, mit Betroffenen gesprochen, sich mit Vertreter*innen des Jugendverbandes solid zu den dortigen Erfahrungen und Beschlusslagen ausgetauscht und dabei feststellen müssen, dass sie an Grenzen stößt, die durch Satzung und Geschäftsordnung gesetzt werden.

Für uns heißt Vorgehen gegen sexistisches Verhalten nicht einfach “Ausschluss aus linken Zusammenhängen”. Ergebnis eines solchen Verhaltens kann zwar sein, dass es zu einem Ausschluss aus unserer Partei führt, weil es mit den Zielen und Grundsätzen unserer Partei unvereinbar ist. Es ist aber keine “Ersatzstrafe”: Sexuelle Nötigung ist ein Offizialdelikt, und “Nein heißt Nein” ist ein zentraler Gedanke, der nicht nur Konsens in der LINKEN ist, sondern als Delikt nicht einverständlichen sexuellen Verhaltens unter gesellschaftlicher Ächtung steht. Uns allen ist jedoch bewusst, dass es zB bei sexuellen Übergriffen oft nicht möglich ist, überhaupt vor Gericht zu gehen. Dies hat vielfältige Gründe, auf die wir an diesem Punkt nicht im Detail eingehen können, die weitreichend bekannt sein sollten.

Die einzige Handhabe, die die Partei derzeit hat, ist das Ausschlussverfahren. Dieses ist zwingend im Parteiengesetz sehr streng geregelt. Es kann nur greifen, wenn Betroffene vorsätzlich gegen Grundsätze der Partei verstoßen und dieser dadurch ein schwerer Schaden entsteht. In den o.g. Fällen wird deshalb etwas kurzfristig und vorläufig Handhabbares benötigt, um Vorwürfen nachzugehen, Betroffene zu unterstützen und zu schützen sowie zu mutmaßlichen Täter*innen Distanz zu wahren. Satzung und Geschäftsordnung müssen in Zukunft mehr hergeben.

Deshalb werden wir für den nächsten Bundesparteitag einen eigenen Antragsberatungsblock zu dem Themenfeld einplanen und schlagen schon jetzt die folgende Handlungsstrategie vor:

1. Prävention

Prävention ist nur möglich, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass Sexismus und sexualisierte Gewalt strukturelle Probleme sind, die alle Teile der Gesellschaft betreffen und somit keinen Halt vor linken Räumen machen. Daher kann es natürlich auch in unseren Parteistrukturen durch Genossinnen und Genossen zu sexistischen Aussagen, Verhaltensweisen oder auch Belästigung und Gewalt kommen. In solchen Fällen ist es notwendig, sich mit den Themen auseinanderzusetzen, das Bewusstsein aller Genoss*innen dahingehend zu sensibilisieren und Bildungs- und Aufklärungsarbeit zu leisten. Es ist für linke Organisationen, auch für unsere Partei, eine besondere Aufgabe, Gesellschaftsveränderung immer auch als Selbstveränderung zu begreifen. Wir wollen, dass immer mehr Menschen, Genoss*innen wie Freund*innen und Bürger*innen, antisexistisch handeln.

Einen Anfang machten wir hier bereits mit Gründung der Vertrauensgruppe des Parteivorstandes. Ziel muss sein, auf der Ebene der Landes- und Kreisverbände ebenfalls Vertrauensgruppen zu gründen bzw. Ansprechpersonen zu benennen und Schulungen anzubieten. In einigen Landesverbänden sind diese Prozesse bereits in Gang.

Die Vertrauensgruppen bzw. -personen sind innerparteilich in geeigneter Art und Weise bekannt zu machen. Sie sind regelmäßig durch die Vorstände neu zu berufen.

Als Parteivorstand regen wir auch an, dass sich alle Beschäftigungsorte der LINKEN selbst verpflichten, ebenfalls solche Vertrauensstellen einzurichten. Hier kommen zu den Machtachsen von Geschlecht und Alter/Erfahrung noch berufliche Stellung und ggf. Abhängigkeit hinzu. Auch das wollen wir vertieft reflektieren.

2. Sichere Räume

Betroffene von Sexismus, Grenzüberschreitungen und sexualisierter Gewalt haben unsere Solidarität - nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch in unserer Partei. In der Partei müssen jederzeit auf Wunsch von Mitgliedern Räume geschaffen werden, in denen über Sexismus und diskriminierendes Verhalten gesprochen werden kann, etwa in eigenen Plena, geschützten Sprechräumen oder durch die Möglichkeit, sich in geschütztem Rahmen gegenüber Vorständen über solche Ereignisse zu äußern. Die Vorstände sind verpflichtet, dies nach Zustimmung durch die Betroffenen, auf der folgenden Gremiensitzung zu thematisieren.

3. Qualifizierte Unterstützung

Es ist für uns wichtig, dass wir mit Betroffenen solidarisch und emphatisch umgehen. Wir wollen mit ihnen gemeinsam klären, wie sie unterstützt werden können.Uns ist bewusst, dass Vertrauenspersonen bzw. -gruppen schnell an fachliche Grenzen stoßen: in psychologischer, therapeutischer, rechtlicher Hinsicht. Hierzu beschließen wir heute die Einrichtung einer unabhängigen Beratungsstruktur, die aus erfahrenen Frauen aus feministischer Anti-Gewaltarbeit und Betroffenenunterstützung sowie erfahrenen Anwältinnen besteht. Sie soll die weitere Aufklärung der bekannt gewordenen Fälle mit betreuen, Anlaufstelle für künftige Betroffene sein und Vorschläge für den Umgang erarbeiten.

  • Die Mitglieder der Vertrauensgruppe sind ausschließlich für die Unterstützung der Opfer und Betroffenen da.
  • Die Mitglieder der Vertrauensgruppe werden auf der Homepage der Partei mit einer Kontaktmöglichkeit genannt, damit sie auch einzeln tätig werden können und Opfer selbst entscheiden können, wem sie sich anvertrauen.
  • Die Mitglieder der Vertrauensgruppe sind niemandem rechenschaftsplichtig, keinen anderen Mitgliedern der Gruppe oder Parteigremien.

Auf Bundesebene wird ein Unterstützer*innen-Pool aufgebaut, mit Genoss*innen und ggf. Externen, die professionell und qualifiziert helfen können. Die Vertrauensgruppen bzw. -personen  können so nach einem Gespräch mit Betroffenen sofort an die richtige Stelle verweisen, wenn gewünscht. Der Pool soll Ansprechpersonen enthalten, die u.a. rechtlich und therapeutisch beraten können (zB Anwält*innen, Psycholog*innen etc.). Natürlich unterliegen alle Unterstützenden einer Schweigepflicht. Für Betroffene sind alle Unterstützungsangebote selbstverständlich kostenlos.

4. Schutz der Betroffenen

Es ist unser klares Ziel: Betroffene dürfen nicht aus unserer Partei verdrängt werden. Sollte es zu Anschuldigungen oder Hinweisen von Gewalt oder sexueller Belästigung kommen, stellen die Ansprechpersonen/Vertrauensgruppen sicher, dass zum Schutz der Betroffenen kein unerwünschter Kontakt zwischen der betroffenen Person und der beschuldigten Person stattfinden muss. Dies kann einen temporären Ausschluss von Sitzungen, Aktionen und Veranstaltungen beinhalten, bis der Fall aufgeklärt ist. Voraussetzung hierfür ist, dass durch die jeweilige Vertrauensgruppe/-person ein entsprechender Antrag gestellt und ein weiterführendes Verfahren eingeleitet werden.

5. Untersuchung

Wenn es zu Anschuldigungen oder Hinweisen auf Gewalt oder sexuelle Belästigung kommt, müssen diese von den zuständigen Vertrauensgruppen/-personen aufgenommen und ggf. an die Schiedskommissionen werden. Wenn nötig, können externe Personen hinzugezogen werden, dies geschieht allerdings nur in Absprache mit der betroffenen Person, es sei denn, es handelt sich um ein strafrechtlich relevantes Offizialdelikt. In diesem Fall darf nicht der Anschein der Vertuschung bzw. des “unter der Decke Haltens” erweckt werden. Solche strafrechtlich schwerwiegenden Verdachtsfälle müssen immer Gegenstand von offiziellen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren werden. 

Eine Prüfung durch neutrale Personen/ Strukturen soll voreingenommene und vorschnelle Bewertungen und Entscheidungen verhindern.

Im Rahmen der Untersuchung sollten Gespräche mit beiden Seiten geführt werden, um allen die Möglichkeit zu geben, sich zu äußern und die Situation möglichst gut aufzuklären. Dabei wird keine Agenda verfolgt, sondern unabhängig, neutral und transparent vorgegangen.

Wichtig ist dabei dennoch, dass es auf keinen Fall zu einer Täter/Opfer-Umkehr kommen darf.

Die Untersuchung selbst findet in der jeweiligen Schiedskommission statt – diese haben dann, aufgrund der Maßnahmen in Punkt 6, einen größeren Handlungsspielraum.

6. Konsequenzen

Alle involvierten Personen, egal ob betroffen oder beschuldigt, müssen zu jedem Zeitpunkt mit Respekt behandelt werden. Der Schutz der betroffenen Personen ist jederzeit zu gewährleisten.

Es wird von öffentlichen Auseinandersetzungen zum Schutz der Betroffenen abgesehen.

Deshalb sondieren wir Instrumente, die konsequentes und gleichzeitig auf Vorfälle konkret abgestimmtes Handeln bei Verstößen ermöglichen.

Wir wollen Satzung, Geschäftsordnung und Bundesschiedsordnung so ändern, dass auch unterhalb des Ausschlusses und auch vor einem langwierigen schiedsgerichtlichen Verfahren die Möglichkeit besteht, Genossinnen und Genossen, die sich sexistisch verhalten, andere Genossinnen und Genossen beleidigen oder mit strafrechtlich relevantem Verhalten überziehen, Parteiordnungsmaßnahmen einzuleiten und vorläufige Parteiordnungsmaßnahmen zu ergreifen. Diese können sein:

  • Entbindung von Ämtern in der Partei
  • Verpflichtung, sich einem Votum der Gliederung zu stellen
  • Kein aktives oder passives Wahlrecht innerhalb der Partei für X Monate
  • befristeter Ausschluss von bestimmten Sitzungen in zeitlicher und regionaler Hinsicht
  • befristeter Entzug des Rederechts.

06: Artikel "MeToo"-Krise in DIE LINKE (junge Welt, 19.04.2022)

von Marc Bebenroth

Die Vorwürfe wiegen schwer. Jetzt sollen Köpfen rollen, wird gefordert. In der Partei Die Linke soll es auf Landesebene mehrfach zu sexueller Belästigung, Nötigung und Gewalt gekommen sein. Über mutmaßliche Fälle im hessischen Landesverband hatte der Spiegel am Freitag abend online berichtet. Demnach existieren Dokumente, die Hinweise auf »mutmaßliche Grenzüberschreitungen, Machtmissbrauch und eine toxische Machokultur« liefern würden, darunter Chatverläufe, Fotos, E-Mails und eidesstattliche Versicherungen von Betroffenen. Die Bundessprecherin der Linksjugend, Sarah Dubiel, sprach am Sonntag auf Anfrage der Deutschen Presseagentur von mehr als 20 weiteren Betroffenen aus mehreren Landesverbänden.

Die Linke in Hessen hatte nach Angaben des geschäftsführenden Landesvorstands ab Ende November 2021 Kenntnis von den Vorwürfen. Man habe seitdem begonnen, diese »auf allen Ebenen aufzuarbeiten«, wie die Landesspitze noch am Freitag mitteilte. Zur nächsten Sitzung des Landesvorstandes am 30. April 2022 sollen eine oder mehrere Vertrauenspersonen eingesetzt werden. Zudem seien »Gesprächsangebote an Betroffene unterbreitet und ein umfangreicher Verhaltenskodex« beschlossen worden.

»Die Geschehnisse reichen von Sexismus und verbaler Übergriffigkeit bis hin zu sexualisierter Gewalt und der Deckung dieser Taten durch Mitarbeiter:innen, Mandatsträger:innen und Vorstände durch die unterschiedlichen Ebenen sowie Strukturen der Partei«, teilte der Bundesverband der Linksjugend noch am Freitag in einem offenen Brief mit. Die Täter müssten »Verantwortung für ihr Handeln übernehmen«, das gelte auch für die Partei. »Konsequenzen« müssten folgen. Es könne der Linksjugend zufolge »nicht angehen, dass Täter in Strukturen bleiben und durch Vorstände und andere einflussreiche Personen Rückendeckung bekommen«. Ähnlich hatte sich Parteivorstandsmitglied Niema Movassat am Freitag per Twitter geäußert. In der Partei dürfe es ihm zufolge »keinerlei Toleranz für Täter geben«.

Am Sonnabend legte der Spiegel nach und wühlte dabei in schmutziger Wäsche. Ziel: die heutige Linke-Kovorsitzende Janine Wissler. Sie sei in einen der Fälle involviert. Dabei gehe es um die Affäre von Wisslers damaligem Lebensgefährten mit einer deutlich jüngeren Genossin. Der Mann sei Kreisvorsitzender und Mitarbeiter der hessischen Landtagsfraktion gewesen und habe die junge Frau sexuell bedrängt. Auf Hinweise und Hilferufe habe Wissler nicht oder zumindest nicht rechtzeitig reagiert, so der Vorwurf.

In einer noch am Freitag veröffentlichten persönlichen Erklärung wies die Koparteichefin dagegen Unterstellungen entschieden zurück, sie hätte schon vor November 2021 bzw. dem Jahreswechsel 2021/2022 »Kenntnis über Vorwürfe von sexueller Belästigung und Machtmissbrauch« gehabt. Sobald sie von Fällen erfahren hatte, sei sie »sofort tätig geworden«. Wissler scheint spätestens jetzt auf der Abschussliste so mancher Vertreter des rechten Flügels der Partei – und ihrer Nachwuchsorganisation – zu stehen.

05: Artikel "DIE LINKE in Erklärungsnot" (Neues Deutschland, 19.04.2022)

von Max Zeising

Die Linke in Erklärungsnot

Meldungen über mutmaßliche Fälle sexueller Gewalt in der Linken häufen sich

Der »Spiegel« berichtete von Vorwürfen sexueller Übergriffe innerhalb der Linken. Mittlerweile gebe es derartige Schilderungen aus fast jedem Landesverband.

Plötzlich und unangekündigt sei er aufgetaucht. Über ihren Balkon sei Adrian G., damals Anfang 40 und Mitarbeiter der Landtagsfraktion der Linken im Hessischen Landtag, in einer Nacht im Sommer 2018 in ihre Wohnung eingestiegen. Dann hätten sie diskutiert, ob er mit ihr schlafen dürfe. Sie, 24 Jahre jünger und in der Linksjugend in Wiesbaden aktiv, habe nachgegeben, damit er wieder abhaut. Einer von mehreren mutmaßlichen Fällen sexueller Übergriffe innerhalb der Linken, über die der »Spiegel« jüngst berichtete. Die Partei ist seitdem schwer belastet. Zugleich haben sich weitere mutmaßlich Betroffene an den parteinahen Jugendverband gewandt, immer mehr Namen möglicher Täter stehen im Raum. Und es ist längst nicht nur der Landesverband Hessen, der sich mit Vorwürfen konfrontiert sieht.

23 weitere Meldungen seit Freitag

Solid-Sprecherin Sarah Dubiel sprach am Montagmittag auf Anfrage von »nd.Der Tag« von 23 weiteren Meldungen seit Veröffentlichung des »Spiegel«-Artikels. Insgesamt hätten sich seit Februar etwa 50 mutmaßlich Betroffene bei ihr gemeldet, etwa gleich viele Täter soll es geben. Aus fast jedem Landesverband gebe es mittlerweile Schilderungen sexueller Übergriffen, so Dubiel, nur nicht aus Schleswig-Holstein und dem Saarland. »Man kann aber davon ausgehen, dass es auch dort zu Übergriffen gekommen ist«, sagt die Linksjugend-Sprecherin. Die Vorwürfe beträfen zumeist Männer mittleren Alters, die bestimmte Positionen innehaben – etwa in Vorständen – und entsprechend mit Macht ausgestattet sind. Auch Bundespolitiker und bekannte Namen seien darunter.

Die Schilderungen bringen die gesamte Partei in Erklärungsnot, darunter auch die Ko-Vorsitzende Janine Wissler. Die habe nämlich nach Darstellung des »Spiegel« eine Mail von jener Betroffenen aus dem Sommer 2018 unmittelbar nach der Tat erhalten: »Entschuldige das hier bitte, Janine, aber ich drehe endgültig durch, wenn Adrian nochmal nachts plötzlich auf meinem Balkon auftaucht und das romantisch nennt.« Wissler, die damals in einer Beziehung mit Adrian G. gewesen sei, soll von dem mutmaßlichen Übergriff gewusst, aber nichts unternommen haben. In einer Stellungnahme hatte die Ko-Vorsitzende geschrieben, sie nehme die Vorwürfe »sehr ernst«, zugleich hatte sie »die Unterstellung« zurückgewiesen, sie hätte bereits damals »Kenntnis über Vorwürfe von sexueller Belästigung und Machtmissbrauch« gehabt. Zwar bestätigte sie, Kontakt zu der Betroffenen gehabt zu haben, diese habe aber »nicht um Hilfe gebeten«. Sie sei »bestürzt« darüber, dass ihr unterstellt werde, sie hätte »irgendjemanden geschützt«.

Die Betroffenen kritisieren, dass sich die Partei bis heute nicht um eine ehrliche Aufarbeitung bemüht habe – stattdessen seien die Täter geschützt worden. Laut einem Tweet von Sarah Dubiel seien Aufklärungswillige sogar unter Druck gesetzt worden, nachdem man ein Vorstandsmitglied aus Hessen zum Rücktritt aufgefordert habe: »Als Dank wurde uns mit einem Ausschluss gedroht, weil wir der Partei schaden würden.«

Parteivorstand-Sitzung am Mittwoch

Die Linksjugend veröffentlichte unter dem Titel »Aktion für eine feministische Linke« einen offenen Brief, der inzwischen weit über 500 mal unterschrieben worden ist. Darin fordert der Jugendverband den »Rücktritt aller beteiligten Personen, die selbst Täter sind oder die von den Taten wussten und diese gedeckt haben«, außerdem eine »transparente und lückenlose Aufklärung aller Vorfälle«.

Der Parteivorstand kommt am Mittwochabend zu einer Sondersitzung zusammen – Ausgang offen.

04: Bundesarbeitskreis Revolutionäre LINKE

#LinkeMeToo: Vorwürfe ernst nehmen! Unabhängige Untersuchung einleiten!

https://revolutionaerelinke.wordpress.com/2022/04/18/linkemetoo-vorwurfe-ernstnehmen-unabhangige-untersuchung-einleiten/

Keinen Platz für Sexismus in der LINKEN und linksjugend [‘solid]!

Die Vorwürfe verschiedener Fälle von sexuellen Übergriffen und sexistischem Verhalten innerhalb der LINKEN, die u.a. der SPIEGEL am 15. April veröffentlichte, sind erschreckend. Anscheinend sind seit der Veröffentlichung ähnliche Vorwürfe von weiteren Mitgliedern erhoben worden. Alle diese Vorwürfe müssen ernst genommen und ihnen muss von der Partei nachgegangen werden. Sexistisches Verhalten darf in der LINKEN und linksjugend [’solid] nicht geduldet werden.

Sexismus ist tief in der kapitalistischen Gesellschaft verwurzelt und Frauen sind täglich damit konfrontiert. Er wird von den Herrschenden genutzt, um die Arbeiter*innenklasse zu spalten. Linke Organisationen und ihre Mitglieder sind dagegen nicht immun, doch es ist ihre Aufgabe gegen diese Form der Spaltung und Unterdrückung auch in den eigenen Reihen zu kämpfen. Mitglieder, die andere Menschen belästigen, ihre Machtposition ausnutzen oder einen sexuellen Übergriff begehen, müssen zur Verantwortung gezogen werden. Führenden Mitgliedern kommt eine besondere Verantwortung zu, eine solidarische und sichere Atmosphäre zu gewährleisten und Fehlverhalten nicht zu akzeptieren. Sowohl den Vorwürfen wegen sexuellen Übergriffen, als auch den Vorwürfen gegenüber führenden Genoss*innen, trotz Wissens über Fehlverhalten nicht tätig geworden zu sein, muss nachgegangen werden.

Es ist richtig, dass als eine Maßnahme nun Vertrauensgruppen in verschiedenen Strukturen benannt werden, an die sich Betroffene wenden können. Uns ist bisher nicht klar, in welcher Form und mit welcher Zielsetzung diese Gruppen auch den aktuellen Vorwürfen nachgehen. Der Artikel des SPIEGELs, der sich nach eigenen Angaben auf Chatverläufe, E-Mails, Aussagen und andere Dokumente stützt, muss unserer Meinung nach Ausgangspunkt für eine eigene und von den betroffenen Strukturen unabhängige, demokratisch gewählte Untersuchungskommission sein, die sich ein eigenes Bild verschafft. Sie sollte das Recht haben auch Parteimitglieder und Beteiligte vorzuladen. Beschuldigende und Beschuldigte sollten das Recht haben, vor ihr auszusagen. Sie könnte zum Beispiel beim Bundesausschuss der Partei angesiedelt und diesem rechenschaftspflichtig sein. Beschuldigte könnten, abhängig von der Schwere der Vorwürfe, bis zu einem Abschluss der Untersuchung von ihren Ämtern suspendiert werden und es kann, sollte dies gewünscht sein, sichergestellt werden, dass sie von mutmaßlich Betroffenen fern bleiben.

Leider befürchten wir, dass sowohl der SPIEGEL mit seiner Berichterstattung als auch einige Teile in Jugendverband und Partei mit ihren sehr schnellen Rücktrittsforderungen die aktuelle Situation für ihre jeweilige politische Agenda nutzen wollen. Wir halten eine eigene Untersuchung der Vorwürfe durch demokratisch legitimierte Strukturen der Partei für notwendig und sind der Meinung, dass die Berichterstattung einer bürgerlichen Zeitung nicht ausreicht, um sich ein abschließendes Urteil von den Vorgängen zu machen. Wir nehmen wahr, dass die beschuldigten Mitglieder abstreiten, dass sie sexuell übergriffig geworden sind. Wir nehmen auch wahr, dass andere Genoss*innen bestreiten, wider besseren Wissens lange Zeit nicht eingeschritten zu sein. Nur auf Grundlage einer wirklichen Untersuchung können die demokratisch gewählten Strukturen der Partei alle Aussagen bewerten, Konsequenzen ziehen und Beschlüsse fällen. Dazu können auch der Ausschluss Beschuldigter oder die Unterstützung bei einem juristischen Vorgehen gehören.

Der Aufarbeitungsprozess sollte Anlass sein, auf allen Ebenen der Partei politische Diskussionen über den Kampf gegen Sexismus und sexistische Gewalt in der Gesellschaft und in der LINKEN zu organisieren. Die Voraussetzung für eine Partei, in der alle Mitglieder unabhängig von Geschlecht, Herkunft, sexueller Orientierung, Religionszugehörigkeit oder anderen Merkmalen solidarisch und sicher miteinander für eine Alternative zum Kapitalismus kämpfen können, ist die Auseinandersetzung der Mitgliedschaft mit den gesellschaftlichen Ursachen von Sexismus und Diskriminierung und einem politischen Programm dagegen. Es sollte in der Partei auch diskutiert werden, wie eine sichere Atmosphäre für alle Mitglieder, insbesondere Frauen, gewährleistet werden kann. Mit einer solchen Herangehensweise könnte DIE LINKE unter Beweis stellen, dass sie den Kampf gegen Sexismus ernsthaft führen will.

​​​​​​​03: Stellungnahme der Partei DIE LINKE zur heutigen Berichterstattung des SPIEGEL (Nr. 16/15.04.2022)

Vorwürfe sexueller Übergriffe in der Partei DIE LINKE

Wir nehmen jeden Verdacht auf Sexismus und sexuellen Missbrauch sehr ernst. Patriarchale Machtstrukturen finden sich überall in der Gesellschaft. DIE LINKE ist davon nicht ausgenommen. Wir sichern zu, dass wir grenzüberschreitendes Verhalten nicht dulden und unter den Tisch kehren werden.

Als feministische Partei dürfen Sexismus und sexueller Missbrauch in unseren Strukturen keinen Platz haben. Auch deshalb hat der Parteivorstand im Oktober 2021 die Vertrauensgruppe innerhalb des Parteivorstandes gegründet, um Menschen, die innerhalb der LINKEN Erfahrungen mit Sexismus, Übergriffen oder Diskriminierung machen, beratend zur Seite zu stehen.

Wir nehmen die Anschuldigungen sehr ernst und arbeiten sie innerparteilich auf. 

Auf Bundesebene hat sich die Vertrauensgruppe innerhalb des Parteivorstandes der Fälle angenommen, den Betroffenen Gesprächs- und Unterstützungsangebote unterbreitet und den Geschäftsführenden Parteivorstand und den Parteivorstand über die Fälle in Kenntnis gesetzt, ohne dabei die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen oder Beschuldigten zu verletzen.

Der Landesvorstand Hessen hat einen Verhaltenskodex »Schutz vor sexualisierter Gewalt in allen Gliederungen und Arbeitsgemeinschaften der LINKEN Hessen« beschlossen und wird eine oder mehrere Vertrauensperson(en) einsetzen, die erste Ansprechpersonen für die Opfer von sexualisierter Gewalt sind. Seitens des Kreisverbandes Wiesbaden und des Landesverbandes wurden Gespräche mit professionellen Beratungsstellen geführt, um einen angemessenen Umgang abzustimmen und zu reflektieren. 

Janine Wissler hat, nachdem sie von den konkreten Vorwürfen in Wiesbaden erstmalig Ende Dezember 2021 erfahren hat, die Bundesgeschäftsstelle informiert und darum gebeten, dass die Vertrauensgruppe mit den Betroffenen Kontakt aufnimmt. Janine Wissler hat von Beginn an transparent gemacht, welche persönliche Verknüpfung es zu ihr geben könnte.

‏Als feministische Partei dürfen Sexismus und sexueller Missbrauch in unseren Strukturen keinen Platz haben. Auch deshalb hat der Parteivorstand im Oktober 2021 die Vertrauensgruppe innerhalb des Parteivorstandes gegründet, um Menschen, die innerhalb der LINKEN Erfahrungen mit Sexismus, Übergriffen oder Diskriminierung machen, beratend zur Seite zu stehen.

‏Die Vertrauensgruppe steht Opfern von Übergriffen, Machtmissbrauch oder Diskriminierung innerhalb der Partei beratend zur Seite. Die Vertrauenspersonen sind dazu verpflichtet, mit den ihnen anvertrauten Informationen und Daten vertraulich umzugehen und nach bestem Gewissen zu handeln. 

‏Ziel ist es, Betroffene zu beraten, wenn möglich, an die richtigen Stellen (Anwält*in, Beratungsangebote etc.) zu verweisen, mit lokalen Parteistrukturen Kontakt aufzunehmen sowie Vermittlungen und Parteiordnungsmaßnahmen (Gremienbeschlüsse, Landesschiedskommission, Bundesschiedskommission) zu unterstützen. 

02: Janine Wissler: Stellungnahme zur Berichterstattung des SPIEGEL

https://www.die-linke.de/start/presse/detail/wissler-stellungnahme-zur-berichterstattung-des-spiegel/?fbclid=IwAR28iGnaIcXWgwl5maodBRmn_SQ-mJkY-w5JSkSx8Cc02DGwS6gd47JVzac

Zur heutigen Berichterstattung des SPIEGEL (Nr. 16 / 15.04.2022) über den Vorwurf sexueller Übergriffe in der Partei DIE LINKE, erklärt die Parteivorsitzende Janine Wissler in einer persönlichen Stellungnahme:

Ich nehme Vorwürfe von sexueller Belästigung, sexueller Gewalt und Missbrauch sehr ernst und habe sofort gehandelt, als mir derartige Vorwürfe bekannt wurden. Der Parteivorstand hat im Oktober 2021 eine Vertrauensgruppe eingesetzt für derartige Vorfälle, als Hilfsinstanz für Betroffene. Unabhängig und zusätzlich zu den Schiedskommissionen auf Landes- und Bundesebene. 

Zu den Vorgängen in Wiesbaden:

Ich bekam am 25.11.2021 einen Instagram-Screenshot zugeschickt, in dem eine junge Frau (im Spiegel Michelle Rau genannt), deren Namen ich bis dahin nicht kannte und die mir nicht persönlich bekannt ist, schilderte, dass sie vor einigen Jahren durch ein Mitglied der Wiesbadener LINKEN sexuell missbraucht und durch ein Mitglied der Wiesbadener SPD sexuell belästigt worden sei. Ich habe direkt am nächsten Tag den Landesvorstand über die Vorwürfe gegen das Mitglied der LINKEN informiert und deutlich gemacht, dass wir diesen Vorwurf sehr ernst nehmen und dem nachgehen müssen. Das wurde auf Seiten des Landesvorstands genauso gesehen und das Thema war dann kurz darauf Thema im geschäftsführenden Landesvorstand. An dieser Sitzung nahm ich nicht teil. Dort wurde besprochen, dass man in Absprache mit dem Kreisverband Wiesbaden ein Gesprächsangebot unterbreiten wolle, um den Vorwürfen nachzugehen. Zudem wurde vereinbart, dass ein Verhaltenskodex erarbeitet und eine Awarenessstruktur geschaffen werden soll. Dem Spiegel-Artikel ist nicht zu entnehmen, dass ich von diesen Vorgängen vor dem 25.11. keine Kenntnis hatte. 

Zum Jahreswechsel 2021/2022 habe ich ebenfalls über Instagram von Vorwürfen einer weiteren jungen Frau (vom Spiegel Hannah Maas genannt) erfahren, die mir persönlich bekannt ist. Auch darüber habe ich den Landesvorstand zeitnah informiert. Zudem habe ich am 12. Januar 2022 die Bundesgeschäftsstelle der LINKEN informiert und sie gebeten, die genannten Vorwürfe an die Vertrauensgruppe weiterzugeben, damit sie mit den Betroffenen Kontakt aufnehmen können. Das ist belegbar. Ich habe dabei darauf hingewiesen, dass es eine persönliche Verknüpfung zu mir gibt, und dass ich gerne mit der Vertrauensgruppe rede, sollte es Fragen an mich geben. Die Vertrauensgruppe hat daraufhin den Kontakt mit den Betroffenen gesucht und Gespräche geführt, deren Inhalt mir nicht bekannt ist. 

Ich weise die Unterstellung, ich hätte bereits vor November 2021 bzw. dem Jahreswechsel 2021/2022 Kenntnis über Vorwürfe von sexueller Belästigung und Machtmissbrauch gehabt, entschieden zurück. Es gibt nichts, was das belegt, weil es nicht so war. Hätte ich Kenntnis von derartigen Vorwürfen gehabt, wäre ich tätig geworden. Und ich bin sofort tätig geworden, als ich davon erfahren habe. 

Der Kreisverband Wiesbaden hat im Januar Gesprächsangebote an die betroffenen Frauen verschickt und sich – gemeinsam mit dem Landesvorstand - in mehreren Terminen Rat bei einer externen Beratungsstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt geholt. Eine der beiden betroffenen Frauen nahm zudem im März an einer Sitzung des Landesvorstandes zu diesem Thema teil, ich war bei dieser Sitzung nicht anwesend.

Ich kenne bis heute weder die konkreten Vorwürfe, noch weiß ich, was die Gespräche der Vertrauensgruppe ergeben haben. 

Das alles habe ich dem SPIEGEL im Vorfeld der Veröffentlichung auf ihre Fragen mitgeteilt.

 

Zur Berichterstattung:

Ich bin bestürzt darüber, dass in einem Artikel zu Vorwürfen von sexueller Belästigung und Übergriffen, die Männer begangen haben sollen, mir unterstellt wird, ich hätte irgendjemanden geschützt.

Zutreffend ist, dass ich eine der beiden betroffenen Frauen kenne und sie mich 2018 kontaktiert hat. Einmal am 16. Mai 2018, am 23. August 2018 und am 7. September 2018. Sie schrieb mich an, das ist belegbar, die Kommunikation habe ich noch. Sie teilte mir am 16. Mai mit, dass sie ein sexuelles Verhältnis zu meinem damaligen Partner hatte. Ich war darüber zutiefst bestürzt. Am 23. August 2018 leitet sie mir eine E-Mail weiter, die belegte, dass dieses Verhältnis entgegen anderslautender Versicherungen meines damaligen Partners fortbesteht. Daraufhin telefonierten wir miteinander. In keinem dieser Kontakte wurde der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs oder der sexuellen Gewalt erhoben. Sie hat mich auch nicht um Hilfe gebeten. Das letzte Mal hatten wir am 7. September 2018 Kontakt, seitdem hatte ich bis zum Jahreswechsel 2021/2022 nie wieder von ihr gehört. Nach dieser Offenbarung habe ich meine Beziehung zu meinem damaligen Partner beendet. Meinem heutigen Wissen nach dauerte die Verbindung zwischen Frau Maas und dem Mann noch weit ins Jahr 2019 hinein. 

Ich hielt diese Verbindung – insbesondere durch den großen Altersunterschied – für höchst problematisch und äußerte das auch beiden gegenüber. Beide waren zum Zeitpunkt, als ich davon erfuhr, volljährig, worauf beide hinwiesen. Dass es dabei zu Belästigungen oder Unfreiwilligkeiten gekommen ist, wurde mir gegenüber nie dargestellt (bis zum Jahreswechsel 2021/2022). Ich selber war durch diese Vorgänge zutiefst verletzt und hatte nicht den geringsten Anlass, meinen ehemaligen Partner nach alledem zu schützen. 

Soweit ich in dieser Erklärung zu meinen persönlichen Verhältnissen Stellung genommen habe, tue ich das zur Verteidigung gegen die Vorwürfe des Spiegels der Untätigkeit und Mitwisserschaft. Ich bleibe dabei, meine Privatsphäre nicht der Öffentlichkeit preiszugeben.

 

01: LINKSJUGEND SOLID: Aktion für eine feministische LINKE

Offener Brief an die Partei

Die Linksjugend Solid hat einen offenen Brief an DIE LINKE zum Thema Sexismus geschrieben und veröffentlicht. Diesen und die folgenden Stellungnahmen dokumentieren wir hier. Der im offenen Brief erwähnte SPIEGEL-Artikel liegt leider hinter einer Paywall. 

https://www.linksjugend-solid.de/notification/offener-brief-feministische-linke/

Liebe Genoss:innen, Freund:innen und Mitstreiter:innen,

DIE LINKE wird ihrem feministischen Anspruch nicht gerecht. Das wurde heute durch die Veröffentlichung eines SPIEGEL-Artikels über die patriarchalen Zustände innerhalb der Partei mehr als deutlich.
Die Geschehnisse reichen von Sexismus und verbaler Übergriffigkeit bis hin zu sexualisierter Gewalt und der Deckung dieser Taten durch Mitarbeiter:innen, Mandatsträger:innen und Vorstände durch die unterschiedlichen Ebenen sowie Strukturen der Partei DIE LINKE.
Diese Zustände konnten nur durch Klüngel und Männerbünde aufgebaut und erhalten werden. Verbündete werden bei Vorwürfen geschützt, um die eigene Machtposition zu erhalten.

Wir sind von den im SPIEGEL geschilderten Fällen geschockt, aber nicht überrascht, da auch wir zum Teil Betroffene dieser Zustände wurden.
Als Feminist:innen sind wir wütend und nicht bereit, diese Zustände innerhalb unserer Strukturen zu akzeptieren.
Zu viele haben schon unter diesen Machenschaften gelitten, deshalb gehen wir in die Offensive!

Feministisches Selbstverständnis

„Als LINKE stehen wir für einen Feminismus, der an die Wurzeln geht.“
– Wahlprogramm der LINKEN zur Bundestagswahl 2021

Wir verstehen uns als Feminist:innen und wenden uns daher gegen jede Art von patriarchalen Strukturen und Unterdrückung. 
Solange der Kapitalismus aber existiert, werden wir das Patriarchat nicht zerschlagen können.
Weil wir deshalb für eine Überwindung des Kapitalismus als systemische Basis des Sexismus sind, ist unser Feminismus auch antikapitalistisch und materialistisch.
Geschlechterrollen und sexistische Klischees lehnen wir entschieden ab.
Wir wollen, dass Femizide als solche benannt, Hilfsangebote ausgebaut und Gewalt gegen Frauen und queere Personen konsequent bekämpft wird.

“Wir wollen, dass jeder Mensch – unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung und Lebensentwurf – ohne Angst vor Gewalt leben kann.“
– Wahlprogramm der LINKEN zur Bundestagswahl 2021

Gewalt gegen Frauen und queere Personen ist Ausdruck und Folge einer gesellschaftlichen Abwertung und Unterdrückung, von hierarchischen und patriarchalen Geschlechterverhältnissen.  Diese Abwertung wird durch Machtstrukturen und Abhängigkeitsverhältnisse verstärkt, wie DIE LINKE es leider in letzter Zeit bewiesen hat. Diesen Verhältnissen muss eine strukturelle Antwort entgegengesetzt werden, damit Frauen und queere Menschen ohne Angst vor Übergriffen oder Diskriminierung gleichberechtigt an Debatten und der Willensbildung teilhaben können.

“Diskriminierungen und gewalttätige Übergriffe gehören für queere Menschen weiterhin zum Alltag. Die offizielle Kriminalstatistik bildet nur einen Bruchteil davon ab.“
– Wahlprogramm der LINKEN zur Bundestagswahl 2021

Jede dritte Frau wird Opfer von sexualisierter Gewalt, doch nur jede Zehnte erstattet überhaupt Anzeige.
Der Grund für die gering Anzahl an Anzeigen liegt in der gesellschaftlichen Abwertung und Unterdrückung von Frauen und queeren Personen.
Oft schämen sich die Opfer dafür, was Männer ihnen angetan haben. 
Es ist stigmatisiert, über sexuelle Gewalterfahrungen zu reden, während die Verharmlosung und Legitimation von patriarchaler Gewalt an der Tagesordnung ist – wenn Männer nicht sogar direkt damit prahlen.
Zudem ist auch Victim Blaming, also Täter-Opfer Umkehr, bei der man Betroffenen die Schuld daran gibt, was ihnen passiert ist, ein großes gesellschaftliches Problem.

“Alle Formen von Gewalt und Gewaltverherrlichung gegen Frauen, Kinder und LSBTIQA* (lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche, queere und asexuelle Personen) müssen konsequent geahndet werden.“
– Wahlprogramm der LINKEN zur Bundestagswahl 2021


Opfer sind niemals daran schuld, wenn ihnen – psychische wie physische – Gewalt angetan wird. Es ist egal, was sie angehabt haben, ob sie sich getrennt haben oder eine Trennung planen oder oder oder. Es ist nicht ihre Schuld, sondern die alleinige des Täters.
Es wird Zeit, dass die Täter Verantwortung für ihr Handeln übernehmen.
Das heißt aber auch, dass die Partei Verantwortung übernehmen muss und somit auch Konsequenzen folgen müssen.
Es kann nicht angehen, dass Täter in Strukturen bleiben und durch Vorstände und andere einflussreiche Personen Rückendeckung bekommen.
Als Feminist:innen dulden wir keine Verharmlosung von sexualisierter und misogyner Gewalt und sagen ganz klar: Wer Täter schützt, muss Probleme bekommen!

Wer Täter schützt, muss Probleme bekommen!

Das Vertrauen vieler Betroffener von sexualisierter Gewalt gegenüber den Strukturen der LINKEN ist zerrüttet. Viele Funktionär:innen und Mitarbeiter:innen haben durch ihre Handlungen eine Aufklärung verzögert und verhindert. Diese Handlungen haben nicht nur den Betroffenen massivst geschadet, sondern auch der LINKEN und ihr nahestehenden Feminist:innen. 
Wer immer unsere Partei als Deckmantel für seine Übergriffigkeiten missbraucht, ist kein Genosse und hat sich damit für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit disqualifiziert. Die einzige konsequente Handlung ist es, alle Ämter und Mandate niederzulegen und die Partei zu verlassen. 
Wer Täter ist oder schützt und nicht bereit ist, Verantwortung für die eigenen Taten zu übernehmen und einen Aufarbeitungsprozess mitzumachen, hat keinen Platz in der Partei DIE LINKE. 

Machtstrukturen aufbrechen

DIE LINKE ERNEUERN

Von Erneuerung wird spätestens seit der Europawahl viel in der Partei gesprochen, konkret passiert ist hingegen nichts. 
Es sind immer noch die gleichen Machtkreise in führenden Positionen und eine Strukturreform liegt in ferner Zukunft. 
Und eben diese Klüngel sind es, die sich gegenseitig decken und Betroffene unter Druck setzten, um jede Aufklärung der Vorfälle zu verhindern. 

Diese Strukturen sind einer sozialistischen Partei unwürdig und treten die Errungenschaften der feministischen Bewegung mit Füßen. 
Dabei ist gerade jetzt eine linke Partei, die ihrem Anspruch nach innerparteilicher Demokratie, einem schlagkräftigen Feminismus und einer Interessenvertretung der ausgebeuteten und entrechteten Klasse gerecht wird, unfassbar wichtig.
Ein linke Partei, die diesem Anspruch gerecht wird, ist nicht nur notwendig, sondern auch konkret umsetzbar. 
Um diese Partei aufzubauen und Realität werden zu lassen, braucht es aber konkrete strukturelle Konsequenzen und Veränderungen.

Die Zukunft der Partei DIE LINKE

Wenn die Erneuerung der Partei, von der so viele immer wieder sprechen, ernst gemeint ist, dann muss auch alles getan werden, um ihre patriarchalen Strukturen aufzubrechen. Feministische Positionen müssen mehr werden als Lippenbekenntnisse im Wahlkampf.
Davon hängt letztendlich die gesamte Zukunft der Partei ab.
Deshalb braucht es jetzt auch konsequente Veränderung und einen Bruch mit all jenen, die unsere feministischen Werte mit Füßen getreten haben.

Deshalb fordern wir:

  • Den Rücktritt aller beteiligten Personen, die selbst Täter sind oder die von den Taten wussten und diese gedeckt haben, von ihren Parteiämtern und Funktionen – unabhängig davon, in welcher Position sie sich befinden. Durch diese Rücktritte werden auch Nach- und ggf. Neuwahlen in den jeweiligen Gremien fällig.
  • Transparente und lückenlose Aufklärung aller Vorfälle
  • Verpflichtende Awarenessstrukturen, deren Mitglieder nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Partei stehen oder Abgeordnete sind
  • Verpflichtende Seminare zum Thema Awareness und Feminismus für Funktionär:innen und Angestellte
  • Finanzielle Unterstützung durch DIE LINKE für alle Betroffenen, wenn sie juristische oder auch psychologische Beratung und Hilfe in Anspruch nehmen
  • Eine Vertrauensperson für Mitarbeitende von Partei, Mandatsträger:innen und Fraktionen, die von Sexismus, verbalen Übergriffigkeiten und sexualisierter Gewalt betroffen sind